Stabilitätshilfe für Griechenland verlängert

Im Rahmen einer namentlichen Abstimmung haben wir heute im Bundestag die Stabilitätshilfe für Griechenland verlängert. Ich habe dem zugestimmt, allerdings in Verbindung mit der Abgabe einer persönlichen Erklärung und der Anknüpfung an bestimmte Bedingungen für Griechenland. Diese Erklärung können Sie hier nachlesen!
Persönliche Erklärung nach § 31 GO-BT zum Zusatzpunkt: Antrag des Bundesministeriums der „Finanzen zugunsten Griechenlands; Verlängerung der Stabilitätshilfe“ am 27. Februar 2015

 
Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung haben wir dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen, BT-Drucksache 18/4079 zugestimmt.

Mit allem Nachdruck weisen wir darauf hin, dass mit unserer Zustimmung kein irgendwie gearteter Verzicht auf die vertraglichen Verpflichtungen Griechenlands verbunden ist. Die griechische Regierung darf die Zustimmung insbesondere nicht als Selbstläufer für eine unkonditionierte griechische Schuldenpolitik verstehen.

Die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu dem Antrag des Bundesfinanzministers bezieht sich lediglich auf eine technische Verlängerung des im März 2012 beschlossenen Finanzhilfeprogramms um bis zu vier Monate. Ohne einen entsprechenden Beschluss des Deutschen Bundestages wäre das Programm mit Ablauf des 28. Februar 2015 beendet, mit der Folge, dass die noch offenstehende Tranche des EFSF-Programms, 1,8 Mrd. €, und die Überweisung der SMP-Gewinne (Anleihekaufprogramm der EZB) aus dem Jahr 2014, 1,9 Mrd. €, automatisch verfallen wären.

Entgegen den Ausführungen verschiedenster Medienvertreter handelt es sich nicht um ein neues Programm. Durch den Beschluss wird auch kein „frisches Geld“ zur Verfügung gestellt. Dies ist derzeit auch überhaupt nicht erforderlich, weil der staatliche Haushalt Griechenlands bis Juli 2015 durchfinanziert ist – vorausgesetzt, dass sich die infolge des Regierungswechsels in Griechenland eingetretenen Steuerausfälle in überschaubaren Grenzen halten. Eine Auszahlung der im laufenden Programm noch vorgesehenen restlichen Mittel erfolgt nicht ohne weiteres. Vielmehr müssen die EU-Kommission, die EZB und der IWF (ehemals Troika, auf Wunsch der griechischen Regierung umbenannt in: „Die Institutionen“) zustimmen. Eine Auszahlung kann im Übrigen nur nach einer Beteiligung des Deutschen Bundestages (zumindest des Haushaltsausschusses) erfolgen.

Damit ist zunächst festzustellen, dass der Beschluss des Deutschen Bundestages keine spektakulären neuen Maßnahmen umfasst, sondern lediglich eine Verlängerung der Bereitstellungsfrist bedeutet.

Die Zustimmung des Deutschen Bundestages ist bei der aktuellen Entwicklung keine Selbstverständlichkeit. Der Chef der neuen griechischen Regierung (bestehend aus der linksextremen Partei Syriza und der rechtsextremen Partei Anel), Alexis Tsipras, hat bereits vor der griechischen Parlamentswahl erklärt, dass er den in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Reformkurs verlassen werde. Die Troika werde aus dem Land gefegt, Privatisierungen würden gestoppt. Für den öffentlichen Dienst wurden umfangreiche Wiedereinstellungen angekündigt, ebenso Rentenerhöhungen und die Anhebung des Mindestlohns. Die griechische Regierung forderte eine Schuldenkonferenz mit dem Ziel eines erheblichen Schuldennachlasses. An die Hauptfinanzhilfevereinbarung und die im Memorandum of Understanding (MoU) aufgenommenen Verpflichtungen zur konkreten Durchführung des Anpassungsprogramms fühle man sich nicht gebunden. Man werde gegebenenfalls klagen.

Nach den ersten Umfragen, die in Griechenland eine Syriza-geführte Regierung prognostizierten, verschlechterten sich die finanz- und wirtschaftspolitischen Parameter des Landes erheblich. Die Zinssätze für Staatsanleihen haben mittlerweile Phantasiewerte erreicht und übertreffen die Zinssätze der über die EFSF bereit gestellten Mittel mehr als um das Zehnfache. Es setzte eine massive Guthabenflucht von griechischen Konten in der Größenordnung von über 30 Mrd. € ein. Bereits in den ersten Tagen hat die griechische Regierung in rekordverdächtiger Zeit das Vertrauen in die Verlässlichkeit griechischer Politik erschüttert. Auch die nicht koordinierte unprofessionelle Vorgehensweise – sieht man einmal von der unvertretbaren Beleidigung Deutschlands und deutscher Spitzenpolitiker ab – dürfte zu einer erheblichen Belastung des politischen Klimas beigetragen haben.

Die unternehmerische Bereitschaft, in Griechenland zu investieren hat durch die Syriza-Anel-Regierung sehr gelitten.

Die beachtlichen Anpassungsbemühungen, die die früheren griechischen Regierungen und das griechische Volk bislang unternahmen, wurden quasi über Nacht um Monate, wenn nicht Jahre, zurück geworfen. Zwar war auch bislang bei den Anpassungsprogrammen und der Griechenlandhilfe der Erfolg nicht sichergestellt. Griechenland befand sich aber insgesamt auf einem guten Weg. Nach sechs Jahren der Rezession konnte erstmals im Jahr 2014 ein Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent erzielt werden. Für die Jahre 2015 und 2016 wurde ein Wachstum von 2,5 Prozent und 3,6 Prozent prognostiziert, das jetzt in weite Ferne gerückt ist.

Ohne die gemeinsame Erklärung der Eurogruppe vom 20. Februar 2015 mit dem Bekenntnis der griechischen Regierung zu dem laufenden Reformprozess wäre die Geschäftsgrundlage für eine weitere Finanzhilfe entfallen. Die griechische Regierung bekräftigte hier, dass sie ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern einhalte und angemessene Primärüberschüsse zur Herstellung der Schuldentragfähigkeit bereitstellen werde. Da die griechische Regierung die in den bisherigen Verträgen gegebene Flexibilität nutzen und auch die „soziale Fairness“ verbessern will, hängt die Zustimmungsfähigkeit ganz maßgeblich davon ab, ob die griechische Reformagenda das klare Bekenntnis zur Fortsetzung des bisherigen Reformprogramms auch trägt.

Die Direktorin des IWF, Christine Lagarde, hat zutreffend festgestellt, dass die jetzt von der griechischen Regierung vorgelegte Reformliste ausreichend sei, um das Programm zu verlängern. Das klare Bekenntnis zu dem Reformprogramm fehle aber.

Griechenland muss in den nächsten Wochen eine realistische und tragfähige Reformagenda vorlegen. Die Auszahlungen der restlichen Beträge aus dem laufenden Programm oder Verhandlungen über eine mögliche Folgevereinbarung kommen nur dann in Betracht, wenn es sich bei den Erklärungen der griechischen Regierung nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, sondern Griechenland den eingeschlagenen Anpassungsprozess fortführt. Luftbuchungen können nicht akzeptiert werden. Auch ist es nicht vertretbar, wenn die griechische Regierung neue Ausgaben (z.B. Lebensmittelmarken) mit erst langfristig zu erwartenden Einnahmen (Korruptionsbekämpfung, verbesserte Steuererhebung, nebst verbessertem Steuereinzug, Optimierung der öffentlichen Verwaltung) „gegenrechnen“ will.

Wenn die griechische Regierung seriös und ernsthaft den bisherigen Reformprozess fortsetzt, kann Griechenland auch weiterhin auf die solidarische Unterstützung Europas zählen. Sollte die griechische Regierung durch die Vorlage der konkretisierten Reformagenda, ihr weiteres Verhalten oder gegenläufige Erklärungen aber deutlich machen, dass kein ernsthaftes Interesse an der Fortführung des Anpassungsprozesses besteht, wäre im europäischen Gemeinschaftsinteresse die Finanzhilfe unverzüglich zu beenden.

Derzeit steht nur Griechenland im Fokus des öffentlichen Interesses. Bei einer unkonditionierten Finanzhilfe stünde aber für Europa als Ganzes viel auf dem Spiel. Erstmals würde eine echte „Bail-Out-Union“ eingeführt werden, also eine echte verlorene staatliche Finanzierung eines EU-Mitglieds durch andere EU-Mitglieder. Dies ist nach Art. 125 AEUV verboten.

Die Europäische Union im Allgemeinen und die europäische Währungsunion im Besonderen werden sich dauerhaft nur dann erfolgreich behaupten können, wenn feste Regeln gelten, die die Stabilität sicherstellen. Sollten Griechenland Sonderrechte eingeräumt werden, würden Forderungen weiterer Eurogruppenmitglieder nach Sonderregelungen folgen. Wenn die bestehenden Regelungen für Griechenland nicht mehr gelten, werden EU-Mitgliedstaaten auch bei der Frage der Einhaltung der Maastricht-Kriterien und den länderspezifischen Empfehlungen Sonderrechte einfordern: Ein Fass ohne Boden.

Eine derartige Entwicklung, die mit dem Interesse der europäischen und deutschen Steuerzahler nicht zu vereinbaren wäre, muss unbedingt verhindert werden. Deshalb weisen wir eine nicht ausreichend konditionierte Finanzhilfe – sollte diese zukünftig ein Thema werden – mit aller Entschiedenheit zurück.

 
Gezeichnet:

Detlef Seif MdB und Mitzeichner